Amerikas Kino liebt es, Feindbilder zu produzieren.
Das sagt der neue Antiheld der TV-Serie »24«, Alexander Siddig
ZEIT ONLINE 26/2008 S. 46 [http://www.zeit.de/2008/26/Interview-Siddig]
Die amerikanische Fernsehserie 24 beschreibt wie keine andere das ambivalente, aus Angst und Aggression gemischte Lebensgefühl der Amerikaner nach dem 11. September: Der Agent Jack Bauer (Kiefer Sutherland), angestellt bei einer fiktiven »Counter Terrorist Unit«, jagt Verschwörer, Terroristen und alle Feinde der Vereinigten Staaten – am liebsten Araber. Hat er die gefasst, foltert er sie, bis sie die Wahrheit preisgeben über eine tickende Bombe oder einen geplanten Atomschlag. Notfalls droht er, ihre Kinder zu ermorden, und rettet so sein Land. Mit dieser Entschlossenheit wurde Jack Bauer in den USA populär, sodass sich bereits republikanische Präsidentschaftskandidaten mit ihm verglichen. Auch bei den US-Soldaten im Irak und in Afghanistan ist die Serie beliebt, und der Chef des Office of Homeland Security ist natürlich Fan. In den USA läuft 24 auf Fox; jede Staffel entspricht einem Tag, jede Folge einer Stunde. In Deutschland lief die Serie bisher auf RTL2, die sechste Staffel beginnt am 23. Juni nun auf ProSieben – mit dem sudanesisch-britischen Schauspieler Alexander Siddig als arabischem Bösewicht.
DIE ZEIT: Herr Siddig, was hat Sie an der Rolle des Hamri Al-Assad interessiert, eines islamischen Terroristen, der im ersten Golfkrieg gegen die USA kämpfte?
Alexander Siddig: Die Figur wirkt zunächst böse, könnte aber auch gut sein. Erst will Hamri Al-Assad bloß Rache, dann paktiert er mit dem amerikanischen Präsidenten, um Frieden zu bewirken. Im Grunde ist er ein Idealist, der Mörder war.
ZEIT: Sein Gegenspieler Jack Bauer foltert gern. Mit diesem reißerischen Konzept haben die Produzenten von 24 gigantische Gewinne gemacht. In den USA wird gerade die siebte Staffel gedreht.
Siddig: Der Grund für den Erfolg ist aber Kiefer Sutherland, der die Hauptrolle spielt, ein großartiger Kollege. Wenn dem der Dialog nicht passt, dann ändert er einfach das Drehbuch. Ich habe das auch versucht, leider nicht so erfolgreich.
ZEIT:24 stilisiert Araber zu Buhmännern. Kennen Sie Jack Shaheens Buch Real Bad Arabs? Darin heißt es, Hollywood stelle Araber seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch als böse dar – genau wie Indianer, Schwarze und Japaner.
Siddig: Na ja, vor einer Weile galten Araber als romantisch, denken Sie an Omar Sharif. Mit 9/11gab es eine dramatische Wende, als wir plötzlich zu ganz gefährlichen Leuten wurden. Aber mir persönlich hat das nie viel Ärger bereitet. Wer wird denn von Hollywood nicht negativ stereotypisiert? Auch die Briten und die Deutschen sind immer die Bösen.
ZEIT: Immerhin haben Sie mal beklagt, dass Sie nur noch Rollen als Araber bekämen.
Siddig: Ich habe in The Hamburg Cell Chalid Scheich Mohammed gespielt, den Chefplaner von 9/11. Das hat meine Karriere in Wahrheit befördert. Ich bekam Charakterrollen in Ridley Scotts Kingdom of Heaven, wo es um die Kreuzzüge geht, und in Syriana, wo ich den Prinzen eines arabischen Emirats spielte. Diese Filme wären ohne 9/11 gar nicht geschrieben worden.
ZEIT: Der Prinz endet allerdings tragisch: Er und seine Familie werden von der CIA umgebracht.
Siddig: Ja, aber es war immerhin ein muslimischer Charakter, der ein Herz hatte und der die arabische Welt verbessern wollte. Das sehen wir selten. Und das Timing für den Film war perfekt. Als der auf die Leinwand kam, hatten viele Amerikaner fast vergessen, dass es solche Menschen überhaupt gibt. Stattdessen hatten sie nur wütende Mobs vor den Augen, die vor den TV-Kameras Selbstmordattentate ankündigten. Unser Film hat gezeigt, dass Araber auch Menschen sind.
ZEIT: Das Interessanteste an Syriana waren allerdings amerikanische Secret-Service-Agenten, die insgeheim alles per Fernsteuerung kontrollieren.
Siddig: Ja, und ich habe das Gefühl, so ähnlich ist es auch im Irak. Dabei bin ich mir immer noch nicht sicher, was das Motiv für den Krieg war. Öl, natürlich, aber vielleicht geht es noch um mehr. Klar ist nur: Was im Irak passiert, ist eine Tragödie für die Menschen dort. Wenn die Amerikaner den Sieg über einen Terroristen verkünden, dann besagt das gar nichts, der wird sofort ersetzt. al-Qaida kann im Irak tun, was es will, und die Iraker sind die, die darunter leiden. Das war in Vietnam schon so, ein Stellvertreterkrieg.
ZEIT: Auch im Sudan, wo Sie herkommen, ist Krieg. Berührt Sie das noch?
Siddig: Ich habe Familie dort, aber ich fahre nie dahin. Ich habe eine sehr komplizierte Beziehung zum Sudan. Der Sudan ist zu einem schrecklichen Ort geworden, dort herrscht ein Krieg, der von außen finanziert wird, es geht um China gegen Amerika und um Ressourcen. In Darfur gibt es Uran. Es geht nicht um arabische Muslime versus schwarze Christen, da kämpfen von Ausländern bezahlte Warlords gegeneinander. Die Menschen, die dort leben, werden herumgestoßen, wie die Iraker. Aber nicht mal George Clooney, der Syriana gedreht hat, könnte einen Film machen, der Darfur erklärt.
ZEIT: Ihr Onkel Sadiq al-Mahdi war Premierminister des Sudans, bis er in einem Putsch aus dem Amt gejagt wurde. Sie leisten heute humanitäre Hilfe im Sudan.
Siddig: Ich sponsere Helfer, die in Flüchtlingscamps arbeiten. Was ich selber tun könnte, wüsste ich gar nicht. Aber ich habe einen Fanclub, junge engagierte Leute, die unterstütze ich, auch finanziell. Sie helfen beispielsweise sudanesischen Flüchtlingen in Arizona, besorgen ihnen Visa und Wohnungen, bringen sie in Colleges unter. Sie arbeiten auch mit den Ärzten ohne Grenzen zusammen.
ZEIT: Die Rolle, mit der Sie bekannt wurden, war die des Arztes Julian Bashir in dem Star Trek-Ableger Deep Space Nine: Er wird von einem Geheimdienst rekrutiert, der jenen schmutzigen Krieg im All führt, den die ehrenwerte Sternenflotte nicht führen darf. Erinnert Sie diese Konstellation an etwas?
Siddig: Ja, Amerika agiert anders als die UN nach dem Motto: »Der Zweck heiligt die Mittel«. Aber das ist falsch. Deep Space Nine war eine sehr prophetische Serie, die nicht nur schwarz-weiß zeichnete. Da gab es die Sternenkrieger, die Freiheitskämpfer und gleichzeitig Terroristen waren.
ZEIT: Deep Space Nine behandelte politische Themen wie Krieg, Besatzung, Fundamentalismus. Brauchen wir eine neue Deep Space Nine-Folge?
Siddig: Nein, dazu war die Serie viel zu düster. Momentan wollen Amerikaner so etwas nicht sehen, schon die Filme über den Irakkrieg liefen schlecht an der Kasse, ob das nun Rendition war oder In the Valley of Elah. Keiner hat die Kosten wieder eingespielt. Nur mit Filmen wie Spiderman, wo die Guten mit viel Special Effects die Bösen besiegen, wird noch richtig Geld verdient. Es gibt zwar eine Nische für unabhängige Filme, deshalb hat sich Syriana gut geschlagen, aber ein Blockbuster war das auch nicht.
ZEIT: Wird sich das ändern, falls die Demokraten im Weißen Haus ans Ruder kommen?
Siddig: Ich glaube nicht, dass Obama Präsident wird. Die Amerikaner werden nicht für einen schwarzen Mann stimmen. Aber Hollywood hat ohnehin schon mehr für die Verständigung mit der arabischen Welt getan als Washington. So hat Kingdom of Heaven die Kreuzzüge recht real dargestellt, da waren die Christen die Bösen, die aus Gier den Mittleren Osten zerstörten und ausraubten.
ZEIT: Sie selber leben nicht mehr in Hollywood, sondern in England.
Siddig: Ich bin dort weggezogen aus persönlichen Gründen. Deep Space Nine war abgedreht, Bush kam an die Regierung, und ich wurde von meiner Frau, Nana Visitor, geschieden. Aber vor allem hatte ich es satt, zu leben, nur um Geld zu verdienen, und mehr passiert in Hollywood nicht. Ganz generell hat die amerikanische Gesellschaft ein sehr idealisierendes Verhältnis zu Geld, sie verehrt es. Aber es ist schmerzhaft, so zu leben. Ich erlebte in Hollywood Respekt, weil ich viele Dollar verdient habe, und ich wusste, ich verliere Respekt, wenn ich weniger Dollar verdiene. In England genießt ein Dichter oder ein Maler Respekt, auch wenn er arm ist. In England ist meine Seele zu Hause, denn dort bin ich aufgewachsen.
ZEIT: Wie lange wird Hollywood noch der Geschichtenerzähler der Welt sein?
Siddig: Hollywood hat sich bereits verändert. Die großen Studios lösen sich auf, es bilden sich kleinere Labels, weil es so viel verschiedene Zielgruppen und Geschmäcker gibt. Heute werden auch viele Filme gleich für den DVD-Markt gemacht. Die ganz großen Blockbuster sind seltener geworden. Hollywood merkt, dass die USA nicht mehr das wichtigste Land der Welt sind.
Das Gespräch führte Eva Schweitzer
DI U RITUNDU
During times of universal deceit, telling the truth becomes a revolutionary act. George Orwell
mardi 24 juin 2008
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